"Der Pfad des Mitgefühls"

Diplomarbeit von Catarina Skirecki im Bereich Sozialpädagogik

Hier können Sie die Gliederung und die Einleitung lesen.

Sollten Sie Interesse an dem gesamten Text haben, kontaktieren Sie mich bitte.

Der Pfad des Mitgefühls

 

Wie der Buddhismus als spiritueller Weg

in die soziale Arbeit einfließen kann

 

Diplomarbeit

an der

Katholischen Fachhochschule Berlin

 

vorgelegt von

Catarina Skirecki

8. Semester

aus

Berlin

 

 

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Erstgutachterin: Prof. Dr. Marina Lewkowicz

Zweitgutachter: Prof. Dr. Wolf-Dieter Mayer

Eingereicht am: 11. Januar 2003

Catarina Skirecki, Gubener Str. 48, 10243 Berlin

Vorwort 7

1. Einleitung 8

2. Die buddhistische Lehre als spiritueller Weg 12

2.1. Geschichtliches 12

2.1.1. Die Figur des Buddha 13

2.1.2. Die drei Grundrichtungen des Buddhismus 13

2.1.3. Der Umfang der Lehren 15

2.2. Grundlegende Inhalte der Buddhistischen Lehre 15

2.2.1. Die Vier Edlen Wahrheiten 16

2.2.2. Der Edle Achtfache Pfad 18

2.2.3. Karma und Wiedergeburt 20

2.2.4. Das Eintreten ins Nirvana 21

2.2.5. Die Leerheit 23

3. Leiden 26

3.1. Leiden im Kontext des Buddhismus 26

3.1.1. Die Existenz des Leidens 26

3.1.2. Der Sinn des Leidens 27

3.2. Vom Umgang mit dem Leiden in unserer Gesellschaft 30

3.3. Vom Umgang mit Leiden in der sozialen Arbeit 32

4. Helfen 38

4.1. Die Vier unermesslichen Geisteszustände als Grundlage wahrer Hilfe 40

4.1.1. Wahre Hilfe geschieht aus Mitgefühl heraus 41

4.1.1.1. Mitgefühl aus buddhistischer Sicht 42

4.1.1.2. Mitfühlendes Helfen 44

4.1.2. Wahre Hilfe ist getragen von Liebe 47

4.1.3. Wahre Hilfe ist getragen von Freude 48

4.1.4. Wahre Hilfe ist getragen von Gleichmut 51

4.2. Wahre Hilfe braucht Achtsamkeit 53

4.2.1. Hier und Jetzt 55

4.2.2. Anfängergeist 56

4.2.3. Achtsames Zuhören 57

4.2.4. Achtsame Rede 59

4.3. Wahre Hilfe entsteht aus der Erkenntnis der Allseitigen Verbundenheit 60

4.3.1. Jede Handlung hat weitreichende Folgen 61

4.3.2. Das Äußere ist ein Spiegel des Innern 62

4.3.3. Dienen entspringt selbstverständlich aus der Allseitigen Verbundenheit 63

4.4. Wahre Hilfe anerkennt die Buddhanatur des anderen 64

4.5. Wahre Hilfe braucht das Aufgeben aller Rollen 66

4.6. Wahre Hilfe braucht die richtige Motivation 67

4.7. Wahre Hilfe ist auch Tun durch Nichtstun 69

5. Was hilft dem Helfer? 71

5.1. Das Mitgefühl in sich selbst wecken 71

5.1.1. Das Gefühl des Geliebtwerdens von einem nahen Menschen in sich wieder erwecken 72

5.1.2. Erkennen, daß alle Menschen im Grunde gleich sind 73

5.1.3. Sich in die Lage des anderen versetzen 73

5.1.4. Einen nahen Menschen gedanklich an die Stelle des Leidenden setzen 74

5.1.5. Den Alltag nutzen - sich nicht dem Leid verschließen 74

5.2. Mit sich selbst in Kontakt kommen 75

5.2.1. Das eigene Leid erforschen 76

5.2.2. Hingabe an sich selbst 80

5.2.3. Achtsamkeit für sich selbst entwickeln 81

5.2.4. Die Überwindung jeglicher Rollen 82

5.2.5. Der Intuition folgen - Vertrauen finden 83

5.3. Wege für den Helfer 85

5.3.1. Meditation 86

5.3.1.1. Die „drei erhabenen Prinzipien“ 87

5.3.1.2. Die Körperhaltung in der Meditation 87

5.3.1.3. Die Haltung des Geistes während der Meditation 88

5.3.2. Das Einhalten ethischer Regeln - der Edle Achtfache Pfad 89

5.3.3. Das Wecken der Motivation 90

5.3.4. Die Übung der Achtsamkeit 91

5.3.4.1. Die Meditation der Achtsamkeit 91

5.3.4.2. Achtsamkeit in den alltäglichen Verrichtungen 92

5.3.5. Ich gebe das, was ich bin, und das mit ganzem Herzen 93

5.3.6. Der Alltag als Lehrmeister - Helfen als persönlicher Weg 95

5.3.6.1. Wer hilft denn hier wem? 95

5.3.6.2. Fehler machen ist erlaubt 97

5.3.6.3. Die Frustration zum Lehrer machen 98

5.4. Vorsicht Fallen: Falsch verstandenes Dharma 100

5.4.1. Deckelung der Gefühle 100

5.4.2. Mitgefühl/Mitleid 101

5.4.3. Gleichmut/Gleichgültigkeit 102

5.4.4. Liebe/Anhaftung 103

6. Die Bedeutung des Dienens für meinen persönlichen Weg 104

7. Auswirkungen des Buddhismus als spiritueller Weg auf das Helfen - Zusammenfassung 106

8. Schlußbetrachtung 108

Anhang 1: 110

Anhang 2: Quellen der Beispiele 111

Anhang 3: Angaben zu den zitierten Autoren 112

Literaturverzeichnis 116

Danksagung 119

 

 

 

 

 

 

 

„Umarme die Vollkommenheit deines Lebens,

weil es die Ganzheit deines Seins ist, von der aus du dienen wirst.

Weise nichts zurück, nimm alles mit Zärtlichkeit an,

sodass du es voller Anmut denen anbieten kannst, denen du dienst.“

 

Frank Ostaseski

 

Vorwort

Meine Motivation diese Arbeit zu schreiben bestand darin, eine Verbindung zweier Lebensbereiche zu schaffen: der spirituellen Praxis und des sozialen Engagements.

Ich arbeite seit einigen Jahren mit Familien, Müttern, Vätern und Kindern. Die Fragen: Wie kann ich den anderen wirklich erreichen? Wie kann ich das Leid lindern? und Wie kann ich eine gute Begleiterin sein, die spürt, was vom Anderen gerade gebraucht wird? stelle ich mir tagtäglich. Gleichzeitig merke ich, daß ich der Antwort näher komme.

Ein weiterer Punkt, der ausschlaggebend war, dieses Thema zu wählen, ist, daß ich während meines Studiums der Sozialen Arbeit regelrecht überschüttet wurde mit Methoden und Konzepten für das Helfen. Wir lernten diese Handlungsstrategie und übten jene Technik der Gesprächsführung, um dann schnell wieder zur nächsten Strategie überzugehen. So wurden wir als professionelle Helfer ausgebildet. Die Frage, die ich mir zu stellen begann, war: Was ist denn eigentlich die Basis für dieses Handeln? Irgendetwas fehlte mir, etwas Grundlegendes, etwas, was das Sein des Helfers betrifft, seine innere Haltung, die jenseits aller Professionalität steht.

Ein dritter Anstoß dafür, dieses Thema zu bearbeiten, war das persönliche Erleben von Begleitung in Form von systemischen Familienaufstellungen nach Hellinger. Hier hat sich für mich gezeigt, wie man im spirituellen Sinn helfen kann und welche entscheidende Rolle das Sein des Helfers in dem Prozeß spielt.

Den Rahmen für die Verbindung von Spiritualität und sozialer Arbeit habe ich letztendlich in der Buddhistischen Lehre gefunden.

Seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit dem Buddhismus und studiere als Schülerin Sogyal Rinpoches, eines Meisters des tibetischen Vajrayana-Buddhismus, die buddhistische Lehre. Vor drei Jahren habe ich begonnen, regelmäßig zu praktizieren und meditiere fast täglich. Das hat mein gesamtes Leben nachhaltig beeinflusst und verändert.

Spirituelle Praxis ist nicht nur an das Meditieren und Studieren der Lehren gebunden. Sie ist gleichzeitig Bestandteil des Alltags für mich geworden und fließt in meine Arbeit ein. Und genau in dieser Verbindung beginne ich, Antworten auf die oben gestellten Fragen zu finden. Meine Erkenntnisse möchte ich in die vorliegende Arbeit einfließen lassen.

Einleitung

Eine spirituelle Haltung kann soziale Arbeit nachhaltig beeinflussen. Soziale Arbeit ist vielleicht ohne sie gar nicht möglich. Das heißt nicht, daß nur Menschen, die sich als spirituell verstehen, helfen können.

In dieser Arbeit geht es darum, wie der Buddhismus als spiritueller Weg in die soziale Arbeit einfließen kann.

Der Buddhismus erklärt die Existenz des Leidens, seine Ursachen, die Möglichkeit, das Leiden zu beenden und den Weg, der aus dem Leiden führt. Auf die Grundlagen des Buddhismus gehe ich im ersten Teil der Arbeit ein. Sie bilden das Fundament für das Verständnis der nachfolgenden Kapitel.

Der zweite Teil setzt sich mit dem Leiden auseinander. Der Buddhismus sagt, daß Leiden Bestandteil des Lebens ist. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Leiden birgt die Chance zu persönlichem Wachstum und ist zugleich Grundlage dafür, Mitgefühl zu entwickeln. Leiden ist etwas, das in unserer Gesellschaft keinen Platz bekommt. Leidende Menschen werden an den Rand gestellt und professionelle Helfer werden eingesetzt, um sich ihnen zu widmen.

Die Begegnung mit dem Leid macht den meisten Menschen Angst. Sie verschließen ihr Herz, um von diesem Leiden nicht berührt zu werden. Auch Sozialarbeiter als ausgebildete professionelle Helfer entwickeln Strategien, um dem Leiden der anderen nicht permanent unmittelbar ausgesetzt zu sein. Sie schirmen sich vom Hilfesuchenden ab. Das führt zu einem „professionellen“ Abstand. Der Hang zum Verdrängen des Leides lässt die Realität nicht sichtbar werden. Helfer verstecken sich häufig hinter Professionalität und nehmen damit in Kauf, daß Hilfe am Hilfesuchenden vorbeigeht.

Im vierten Teil geht es um das Helfen. Hier beantworte ich die Frage, was aus meiner Sicht nötig ist, damit Hilfe gelingen kann. Die Einschätzung dessen, worunter der andere wirklich leidet, kann nur richtig sein, wenn die Realität gesehen, gespürt und anerkannt wird. Oft meint man als Helfender zu „wissen“, worunter der Andere leidet. Die verschieden Ursachen dafür werden hier erläutert.

Der Fokus in dieser Arbeit richtet sich auf das Sein des Helfers. Ich behaupte, daß die Wirkung der Hilfe abhängig ist vom Sein des Helfers. Dieses Sein sollte von Werten und Erkenntnissen getragen sein. Die buddhistische Lehre bietet aus meiner Sicht eine Grundlage dafür.

Mitgefühl, Liebe, Freude und Gleichmut, im Buddhismus die Vier unermesslichen Geisteszustände genannt, sind Eigenschaften, die sich auf dem spirituellen Pfad entwickeln. Jeder Mensch, ob Buddhist oder nicht, hat die Möglichkeit, diese Qualitäten in sich zu wecken. So entsteht damit eine Voraussetzung für wirkliche Begegnung mit anderen Menschen, da sie sein Herz öffnen. Dem Mitgefühl gebe ich dabei einen hervorgehobenen Platz, da es meiner Ansicht nach für den helfenden Prozess besondere Relevanz hat. Mitfühlendes Helfen geschieht als gleichberechtigter Austausch zwischen zwei Personen. Es gibt keinen, der durch seine Stärke über einem anderen steht, der schwächer ist. Grundlage dafür ist die Erkenntnis, daß alle Menschen gleich sind und auf ähnliche Weise leiden. So kann eine Begegnung von Herz zu Herz stattfinden. Helfen ist dann Dienen.

Mitgefühl, Liebe, Freude und Gleichmut sind eng miteinander verbunden und bedingen sich gegenseitig. Liebe trägt eine große Heilkraft in sich. Sie ist bedingungslos und wird als Fundament der menschlichen Natur bezeichnet. Freude beinhaltet Glück, Leichtigkeit und Klarheit. Aspekte, die im helfenden Prozess manchmal nicht mehr sichtbar sind. Mit Freude kann man Abstand bekommen und neue Perspektiven sehen. Gleichmut bezeichnet einen Haltung, die nicht wertet und urteilt. So können die Dinge, die geschehen, genommen werden, wie sie sind. Man kann sehen, was wirklich ist. Im helfenden Prozess ermöglicht Gleichmut eine Ebene des Vertrauens.

Eine weitere Grundlage für das Dienen ist Achtsamkeit. Sie ist die Energie, die zum Gewahrsein eines jeden Augenblicks führt und wirkliche Präsenz schafft. Das Verweilen im Hier und Jetzt ist Ausdruck der Achtsamkeit. Ebenso der Anfängergeist, der offen und voller Neugier in jedem Moment aufnimmt, was kommt. So kann man als Helfer vorschnellen Schlüssen entgegenwirken. Die grundlegende Haltung des Nicht-Wissens macht erst lebendiges Handeln und Kreativität möglich. Achtsames Zuhören und Achtsame Rede sind zwei weitere Aspekte der Achtsamkeit. Sie ermöglichen eine respektvolle Kommunikation mit offenem Herzen.

Eine dritte Grundlage für Hilfe ist die Erkenntnis der Allseitigen Verbundenheit. „Alles Tun hat weitreichende Wirkung“ und „das Äußere ist immer ein Spiegel dessen, was in einem selbst ist“, sind hier die Grundaussagen. Dienen wird aus der Erkenntnis der Allseitigen Verbundenheit zu einem Selbstverständnis.

Weitere Aspekte, die wahre Hilfe unterstützen, sind das Anerkennen der Buddhanatur in jedem Menschen, das Aufgeben aller Rollen, das Bewußtmachen der Motivation und auch das Tun durch Nichtstun.

Im fünften Kapitel zeige ich auf, was für den Helfer nützlich sein kann, wenn er die oben genannten Haltungen in sich entwickeln möchte. Ich zeige Möglichkeiten, die es dem Helfer erleichtern, Mitgefühl in sich zu wecken.

Dazu gehört, daß man sich mit seinem eigenen Leid auseinander setzt. Mit sich selbst in Kontakt zu kommen bedeutet, sich seinem eigen Schmerz zu stellen, Liebe für sich selbst zu entwickeln, aus der dann Vertrauen zu sich selbst wachsen kann. Mit Achtsamkeit für sich selbst zu leben, die vielen Rollen, in denen man ist, zu erkennen und jenseits davon seine eigene Identität zu finden, sind weitere Möglichkeiten, die beschrieben werden. Sie führen unter anderem dazu, die eigene Intuition zu stärken.

Die Wege, die man beschreiten kann, um sich diese Möglichkeiten zu eröffnen, sind insbesondere die Meditation, das Einhalten ethischer Regeln und die Übung der Achtsamkeit. Den Alltag kann man als Lehrmeister nutzen, indem man mit ganzem Herzen hilft und das gibt, wozu man in der Lage ist. Fehler sind Bestandteile des Prozesses und dienen dazu, daraus zu lernen. Wenn man sich ganz und gar in den helfenden Prozess einlässt, spürt man, wie viel man darin für sich gewinnen kann. Helfen ist dann gleichzeitig Geben und Nehmen. Alle beschriebenen Wege sind von jedem nutzbar, unabhängig davon, ob er Buddhist ist oder nicht.

 

Grundintention meiner Arbeit ist es also, aufzuzeigen, daß der Buddhismus eine Bereicherung für soziale Berufe und soziales Engagement sein kann.